Mit welchem Material ist dieses Schatulle belegt?

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Zum Frühlingsanfang präsentieren wir Ihnen eine Schatulle mit einer seltenen Marketeriearbeit. Der Rohstoff für diese Handwerkskunst ist durchaus regional. Es handelt sich nicht um Sägefurniere aus heimischen und fernen Ländern – wie es bis ins 19. Jahrhundert üblich war – sondern um ein wesentlich naheliegenderes Material. Umso verwunderlicher, dass seine Verwendung nicht häufig zu finden ist. Ein Grund Ihnen diese ungewöhnliche Marketerie einmal näher vorzustellen. Können Sie erraten, welches Material verwendet wurde? Des Rätsels Lösung finden Sie entweder auf der folgenden Produktseite oder am Ende des Textes.

Marketerien – nicht zu verwechseln mit Intarsien

Bei einer Marketerie handelt es sich um eine flächig aufgelegte Einlegearbeit, die z.B. ein Bild oder eine bestimmte Komposition zeigt. Hierbei besteht die gesamte Fläche aus dünnen Materialien, die auf ein Trägermaterial aufgebracht werden. Bei einer Intarsie wird hingegen lediglich eine ein- oder mehrteilige Einlegearbeit direkt in das Trägermaterial vorgenommen.

Holzmarketerien

Die am häufigsten vorkommende Art der Marketerie ist die Holzmarketerie, bei der meist verschiedene Edelholzfurniere (Nussbaum, Ahorn, Ebenholz, Zwetschge, u.v.m.) verwendet wurden. Auch holzfremde Materialien wie Schildpatt, Perlmutt, Elfenbein, Messing oder Zinn wurden gerne in eine Holzmarketerie eingearbeitet, was eine deutliche Wertsteigerung ausmachen kann.
Auf den Fotos sind drei Barockkommoden und ein Spieltisch zu sehen, deren Flächen mit Holzmarketerien belegt sind. Eine durchgehende Holzmaserung ist nicht zu sehen. Die verschiedenen Furniere sind in einer bestimmten Anordnung auf das Konstruktionsholz (Blindholz) aufgeleimt, um ein schönes Bild zu erzeugen.

Steinmarketerien

Eine in Italien weitverbreitete Form der Marketerie sind Pietra duraArbeiten, die im 16. Jahrhundert ihre Blütezeit hatten. Hierbei handelt es sich um Steinflächen, in die verschiedenste Steine eingearbeitet wurden. Hergestellt wurden diese als z.B. als Bildtafeln oder Tischplatten. Kleinformatige Bildtafeln wurden auch exportiert und z.B. in Kabinettschränke integriert. Die Fülle an verschiedenen, seltenen Gesteinen lässt die Herzen von Steinmetzen höher schlagen, da die meisten Sorten nicht mehr abgebaut werden dürfen.
Da Pietra dura Arbeiten sehr aufwendig, kostenintensiv und ein hohes Gewicht aufweisen, wurde diese Art der Marketerie auch durch Stuckmarmorarbeiten (Scagliola) imitiert. Teilweise um die Materialkosten geringer zu halten, aber auch um große Elemente in Kirchen (z.B. Altäre, Säulen, Wandverkleidungen) herzustellen, bei denen eine Ausarbeitung aus Stein fast unmöglich erscheint. Die Herstellung der Scagliola-Arbeiten war eine große Kunst und ein Unterschied der beiden Techniken ist optisch oftmals nur schwer zu erkennen. Durch das Auflegen der Hand auf eine Fläche kann festgestellt werden, um welche Technik es sich handelt. Die echte Steinarbeit (Pietra dura) bleibt kalt, bei der Scagliola Arbeit erwärmt sich die Fläche relativ schnell.

Des Rätsels Lösung: Strohmarketerien

Unser Möbel des Monats April ist mit einer Marketerie aus Stroh belegt. Die Strohmarketerie ist eine sehr seltene Art der Dekorationstechnik bei Möbelstücken. Hierbei werden gefärbte und geglättete Roggenhalme kleinteilig auf ein Trägermaterial aufgeleimt. Die häufigste Verwendung findet sich an kleinen Dosen und Liebesgaben, Schatullen, Spielbrettern und kleinen Kabinettschränken. Das Stroh wurde auf Seide und/oder Papier aufgebracht und vermutlich erst anschließend auf das Trägermaterial aufgeleimt. Die Strohhalme haben durch die glänzend-schimmernde Oberfläche einen besonderen Reiz. Die Herstellung der Strohmarketerie ist ein längst vergessenes Handwerk. Seit dem 17. Jahrhundert ist diese in Norditalien und Frankreich zu finden. Ursprünglich waren diese Strohobjekte in der Zeit der Herstellung eine kostengünstige Variante, da fast keine Materialkosten angefallen sind. Gefertigt wurden diese von Klosterschwestern, aber auch von Sträflingen.
Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts machte sich der Lübecker Strohmarketeriekünstler Carl Hinrich Hering mit der Fertigung von aufwendigen Strohmarketerieobjekten einen Namen. Seine Stücke wurden beliebte Sammlerstücke in den europäischen Kunst- und Wunderkammern des 18. Jahrhunderts. Sein Arbeitsplatz war zeitweise das Armenhaus St. Annen in Lübeck. Wenige datierte und signierte Stücke haben sich aus der Zeit zwischen 1695 und 1736 erhalten. Eine Sammlung von Objekten aus der Hering-Werkstätte ist im Lübecker St.-Annen-Museum zu sehen.
Bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts wurden Objekte mit Strohmarketerie immer wieder gefertigt und gerieten anschließend in Vergessenheit. In der Epoche des Art Deco entdeckten die Künstler Jean-Michel Frank und André Groult die Strohmarketerie erneut und machten diese wieder beliebt. In Frankreich wird die Strohmarketerie als „Marqueterie de Paille“ bezeichnet.
Literatur: Bettina Zöller-Stock (Hg.): Stroh, kostbar wie Gold. Strohmarketerie der Hering-Werkstatt im St. Annen-Museum Lübeck, ebd. 2017, ISBN: 394231021X

Restaurierung der Strohmarketerie

Wir freuen uns auf die Restaurierung der Strohmarketerie. Im letzten Herbst haben wir hierfür bereits Roggenhalme geerntet.

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