Mittig teilbarer Schrank mit einer außergewöhnlichen Konstruktion

Veröffentlicht von

am

Vorstellen möchten wir Ihnen in diesem Monat einen Kirschbaumschrank aus der Zeit um 1820. In dieser Zeit (vor der Industrialisierung) wurde noch richtiges Handwerk betrieben: Holz wurde von Hand gehobelt, Furniere von Hand gesägt. Der Schrank stammt aus dem Bodenseeraum und ist von der Konstruktion und der Art den Bodenseeschränken zuzuordnen.

Konstruktion & Aufbau

Aufgrund der Konstruktion wird der Schrank als Spaltschrank bezeichnet, da er in zwei Hälften teilbar ist. Dieser Schrank besteht aus zwei gezinkten Korpushälften, die zusammengesteckt und mit Holzschrauben verbunden werden. Die Innenräume sind voneinander getrennt, da jede Korpushälfte rundum geschlossen ist. Dies ist eine sehr stabile und dankbare Konstruktion.

Bei diesem Schrank werden zum Aufbau nicht zahlreiche Schrauben, Werkzeuge oder Maschinen benötigt, sondern nur geschickte Hände. Die beiden Schrankhälften werden lediglich mit Holzschrauben von Hand zusammengeschraubt und sind äußerst stabil. Einlegeböden werden auf die passenden Auflegeleisten gelegt, die Schranktüren in die Fitschenbänder eingehängt.

Die Böden in der linken Korpushälfte sind in die Seitenwände fest eingegratet und lassen sich in der Höhe nicht verstellen. Der mittlere Bereich in der linken Korpushälfte ist für eine innen liegende Schublade angelegt.

Um den Schrank leicht aufzubauen, sind Klötze in Höhe der Schrankfüße hilfreich. Diese werden im Bereich der Mittelwände unter die Schrankhälften gestellt. Anschließend können die beiden Schrankhälften einfach zusammengeschoben werden. Beim Zusammenschieben ist darauf zu achten, dass die Nut- und Federverbindungen passgenau ineinander rutschen.

Korpus fertig aufgebaut

Sobald der Korpus zusammengeschoben ist, werden die Holzschrauben in die Innenwände gesteckt und die Holzmuttern von Hand festgezogen. Durch leichtes Wippen des Schrankes und gleichzeitiges Festdrehen der Holzmuttern werden die beiden Schrankhälften optimal zusammengeführt. Anschließend können die Stützen unter dem Schrank entfernt werden. Mit etwas Übung werden keine Stützen benötigt.

Die besondere Verarbeitung

Und das Besondere an diesem Schrank – was uns veranlasst hat, dieses Möbel vorzustellen, sind die Gratverbindungen an den Profilen.

In der Regel sind die Profilleisten an Möbelstücken aufgeleimt und ggf. mit Holznägeln zusätzlich fixiert. Holz jedoch ist ein lebendiger Werkstoff. Er arbeitet mit Veränderung des Raumklimas (Temperatur, Luftfeuchtigkeit). Dies führt zum Quellen oder Schwinden des Holzes. Die dadurch entstehende Bewegung kann langfristig zum Ablösen der seitlichen Profilleisten führen. Das liegt an der Verleimung von Längsholz auf Querholz. Während die Seitenwand (Querholz) hauptsächlich nach rechts und links arbeitet, findet bei der Profilleiste (Längsholz) die meiste Bewegung nach oben und unten statt. Das kann je nach Holzart bis zu 10% in der Breite ausmachen (in der Länge lediglich unter 1%), d.h. je breiter die Fläche ist, desto größer wird die Spannung in der Verleimung. Dazu kommt, dass Glutinleim (Warmleim) ein natürlicher Werkstoff ist, der im stattlichen Alter von 200 Jahren auch mal spröde werden kann. Dies alles kann zur Folge haben, dass sich die Profile lösen.

Bei dem Bodenseeschrank wurde diese Herausforderung meisterhaft gelöst. Hier zeigt sich die oben erwähnte Handwerkskunst: Alle Kranz- und Sockelprofile sind mit externen Gratverbindungen am Korpus befestigt. Dadurch können die Profile aufgesteckt werden und lösen sich unter keinen Umständen durch das Quellen und Schwinden des Holzes. Die relativ flachen Füße sind ebenfalls eingegratet und dadurch sehr stabil.