Merkmale von Barockkommoden

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In diesem Blogbeitrag möchten wir Ihnen zeigen, wie man eine deutsche Barockkommode aus dem 18. Jahrhundert erkennen kann. Grundsätzlich ist eine gewisse Kenntnis der Kunstgeschichte und Erfahrung nötig, um das Alter zu bestimmen. Aber es gibt auch viele Merkmale an einem Möbelstück, die mit den verwendeten Materialien und deren Verarbeitung zusammenhängen und Rückschlüsse auf das Alter geben können. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Der Stil

Antike Möbelstücke zeigen immer den gestalterischen Einfluss einer bestimmten Epoche. Barock steht für üppige, geschwungene Formen und Flächen, die mit Intarsien oder Marketerien geschmückt wurden. Es gab mehrere Epochen, in denen Möbelstücke im barocken Stil hergestellt wurden. Im 18. Jahrhundert wurden furnierte Barockmöbel als Einzelstücke in reiner Handarbeit gefertigt und waren weitgehend dem Adel und kirchlichen Würdenträgern vorbehalten. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts kam das Bürgertum zu Wohlstand und es entstanden industriell gefertigte Möbelstücke. Diese wurden teilweise in großen Stückzahlen bei entsprechend minderer Qualität produziert.

Woran man eine Barockkommode aus dem 18. Jahrhundert von einer späteren Produktion unterscheiden kann, möchten wir Ihnen mit den folgenden Merkmalen zeigen.

Die Furnierstärke als Bestandteil der Altersbestimmung

Sofern es sich nicht um ein massiv verarbeitetes Möbel handelt, hilft uns ein Blick auf die Stärke des Furniers. Bis ca. 1840 wurden furnierte Möbelstücke mit Sägefurnier belegt. Das Sägefurnier ist in der Regel zwischen 2-5 mm stark. Auf dem Foto können Sie an der Fehlstelle die Stärke gut erkennen. Für den Größenvergleich haben wir eine 2 Euro Münze dazu gelegt. Das Furnier wurde nicht aus Kostengründen verwendet, sondern um bestimmte Bildkompositionen auf den Flächen zu erzeugen. Bei der Barockkommode wurden die Schubladenfronten mit einer Bandelwerkmarketerie belegt, auf den Seiten und der Deckplatte sind Rautenmarketerien zu sehen. Für uns als Restauratoren und Antiquitätenhändler ist es besonders schön, wenn das Sägefurnier auf einem Möbelstück noch eine gleichmäßige Stärke zeigt. Daraus kann man ableiten, dass das jeweilige Möbel noch fast unberührt ist, bzw. bisher noch nicht stark geschliffen wurde.

Übrigends: Sägefurnier wurde nicht nur so stark gesägt, weil es nicht anders möglich war, sondern die Möbelschreiner hatten bereits spätere Überarbeitungen eingeplant, bei denen das Furnier geschliffen werden kann und das Möbel wieder schön aussieht. Aus heutiger Sicht ist es jedoch nicht empfehlenswert die furnierten Flächen zu schleifen, da bei jeder Bearbeitung das Furnier dünner wird und irgendwann nicht mehr viel übrig ist.

Furnierfehlstelle an einer Schublade. Die Stärke des Sägefurniers ist gut erkennbar.

Die Rückwand erzählt Geschichten

Hochwertige Barockmöbel wurden meist bis ins kleinste Details sehr aufwendig und qualitätsvoll hergestellt. An nicht sichtbaren Stellen wie der Rückwand, den Innenflächen oder Unterseiten finden sich fast immer mehr oder weniger grobe Spuren des Schrupphobels. Hierbei handelt es sich um einen Handhobel mit leicht gerundetem Hobeleisen, mit dem man ein sägeraues Brett grob auf die gewünschte Stärke gehobelt hat. Auch sägeraues Holz ist keine Ausnahme. Deshalb streichen Experten oft mit der Hand über die Rückwand um die wellenförmigen oder sägerauen Flächen zu ertasten.

Auch die Befestigung der Rückwand ist von entscheidender Bedeutung. In der Regel sind die Rückwände mit Holznägeln am Korpus befestigt. Die Rückwandbretter sind horizontal angebracht.

Detailfoto einer Rückwand aus dem 18. Jahrhundert. Die Rückwand zeigt Schrupphobelspuren und ist mit Holznägeln befestigt.

Unterschiede bei Schubladenböden

Um 1710 ist in deutschland die erste Kommode nachgewiesen. Ab diesem Zeitpunkt, bis zum letzten Drittel des 18. Jahrhunderts sind die Schubladenböden mit Holznägeln stumpf unter dem Schubladenrahmen befestigt. In späteren Epochen wurden die Böden in eine Nut eingeschoben und am Hinterstück mit Nägeln oder Holznägeln fixiert.

Der Schubladenboden ist nicht in eine Nut eingeschoben, sondern stumpf unter dem Schubladenrahmen mit Holznägeln befestigt.
Im Vergleich: So sollte der Schubladenboden bei einer Barockkommode nicht eingeschoben sein.

Die Schubladenkonstruktion

Der Schubladenrahmen ist mit einer klassischen Schwalbenschwanzverbindung konstruiert. Diese sehr solide Eckverbindung ist meist auch noch nach 250 Jahren in einem einwandfreien, stabilen Zustand. Die Schwalbenschwanzverbindung hat sich bis in das heutige Jahrhundert hinein gehalten. Heute sind von Hand gefertigte Schwalbenschwanzverbindungen aufgrund des hohen Zeitaufwands selten geworden. Die wenigen wirklich qualitätsvoll verarbeiteten Industriemöbel weisen maschinell gefertigte Schwalbenschwanzverbindungen auf. Ansonsten haben sich auf dem Massenmarkt der Dübel und andere Verbindungselemente durchgesetzt, die jedoch deutlich weniger langlebig sind.

Die Eckverbindungen der Schubladenrahmung sind mit Schwalbenschwanzverbindungen konstruiert. Der Schubladenboden ist stumpf unter dem Rahmen befestigt.

Die Schubladen sind mit einer Schwalbenschwanz-verbindung konstruiert. Der Schubladenboden ist stumpf unter dem Rahmen befestigt.

Hochwertiger Zierrat: die Beschläge

Beschläge waren ein kostbares Gut im 18. Jahrhundert. Die Kosten für feine, gegossene Beschläge waren oft höher als die Kosten für die Fertigung des Möbelstücks. Generell gilt: Je hochwertiger das Möbelstück ist, desto qualitätsvoller sind die montierten Beschläge. Die beweglichen Handhaben und die Zierunterlagen sind gegossen und zeigen Reste einer Feuervergoldung. Die demontierte Handhabe zeigt noch von Hand gefeilte Gewinde sowie links eine zugehörige Mutter.

Die Beschläge der Kommode stammen aus dem 18. Jahrhundert. Nun ist noch zu klären, ob jemals andere Beschläge montiert waren oder ob diese original zugehörig sind. Optisch kann man bereits außen nach Spuren suchen, ob neben den Schlüsselschildern oder Handhaben ehemalige Löcher vorhanden sind, die bei einer früheren Restaurierung geschlossen wurden. Ebenso kann an den Innenseiten der Schubladenblenden nach ehemaligen Löchern von den Gewindestangen der Handhaben gesucht werden. Sofern keine Spuren gefunden werden, lohnt sich noch ein Blick unter die Beschläge. Eventuell waren bereits kleinere Beschläge montiert, deren Spuren von dem derzeitigen Beschlag verdeckt werden. Hierfür können diese einfach demontiert werden. Auf den Fotos sind weder Spuren neben noch unter den Beschlägen zu sehen. Anhand der vorgefundenen Spuren können wir den Rückschluss ziehen, dass die Beschläge original zugehörig zu dieser Kommode sind.

Für den Wert eines gehobenen Antikmöbels ist es entscheidend, ob die Beschläge noch original zugehörig sind. Oftmals wurden die Metallelemente in Kriegszeiten für Metallspenden wie „Gold gab ich für Eisen“ eingeschmolzen. In besseren Zeiten wurden die Möbel dann mit neueren Beschlägen ausgestattet, die jedoch in Form und Größe nicht den Originalbeschlägen entsprachen. Durch die Befestigung der neuen Beschläge entstanden neue Nagel- oder Schraubenlöcher, die bei genauer Prüfung ggf. sichtbar sind. Bei einem Alter von bis zu 300 Jahren ist es verständlich, dass nur in den wenigsten Fällen die Beschläge komplett erhalten sind.

Handhabe aus dem 18. Jahrhundert. Die Gewindestangen wurden noch von Hand gefeilt. Links sehen Sie eine originale Schraubenmutter.
Innenseite der Schubladenfront. Es sind nur die Muttern der derzeitigen Beschläge zu sehen und keine anderen Löcher/Abdrücke von anderen Beschlägen.
Schlüsselbeschlag: Es sind keine Abdrücke oder Nagellöcher von anderen Beschlägen zu sehen.
Bereich unter dem Schlüsselbeschlag. Auch hier finden sich keine Spuren von anderen Beschlägen.

Geschmiedete Schlösser

Bei deutschen Kommoden des 18. Jahrhunderts wurden meist relativ große Kastenschlösser verbaut, die von Hand geschmiedet wurden. Wenn keine Schlösser vorhanden sind und innen auch keine Spuren von ehemaligen Schlössern zu sehen sind, ist die dies ein Indiz, dass es sich um ein später gefertigtes Stilmöbel handelt.

Die Fotos zeigen ein schweres Kastenschloss, welches in die Zeit der Kommode passt. Nun ist hier ebenfalls zu prüfen, ob dies ein original verbautes Schloss ist, oder ob bereits andere Schlösser eingebaut waren. Auf dem weiteren Foto sehen Sie das demontierte Schloss, mit der geschmiedeten Mechanik. Die Holzinnenseite der Schubladenfront zeigt keinerlei Spuren (Schraubenlöcher, Abdrücke, etc.) von anderen Schlössern. Daher können wir auch hier den Rückschluss ziehen, dass die vorhandenen Schlösser original zugehörig sind.

Rechteckiges Kastenschloss mit eingezogenem Stulp.
Im Holzbereich sind nur die Spuren von dem derzeitigen Schubladenschloss zu sehen.

Am Rande

Zugegeben: Diese Barockkommode ist deutlich mitgenommener als viele Barockmöbel aus dem 18. Jahrhundert. Zahlreiche Furniere haben sich komplett gelöst, sind aber nahezu vollständig vorhanden. Im Zuge einer Restaurierung wurden diese wieder wieder an der ursprünglichen Stelle aufgeleimt. Für solche Arbeiten verwenden wir in unserer Restaurierungswerkstatt auch heute noch Glutinleime, wie es in der Ursprungszeit üblich war.

Leimkocher für Glutinleim.

Eine erfolgreiche Spurensuche?

Einige Merkmale, die an Barockmöbeln zu finden sind, haben wir Ihnen hier vorgestellt. Bei dieser Kommode können wir zusammenfassen, dass diese im 18. Jahrhundert gefertigt wurde und die ursprünglichen Schlösser und Beschläge vorhanden sind.

Anhand der vorgestellten Merkmale, haben Sie bereits ein gewisses Grundwissen, was Ihnen bei Ihren eigenen Möbeln hilfreich sein könnte oder wenn Sie ein Barockmöbel erwerben möchten. In Zukunft werden Sie vermutlich Möbelstücke aus einem anderen Blickwinkel betrachten.

Diese Barockkommode nach der Restaurierung