Dagly, Gérard (1660 - 1715) Lackkünstler der Berliner Hofwerkstatt

Dagly machte Berlin durch seine ostasiatisch geprägten Lackmöbel, die kostbarsten ihrer Epoche, zum Zentrum der Lackkunst.

Herkunft und Familie

Die Familie Dagly stammte aus Spa (Belginen/Ardennen) und brachte mehrere Lackkünstler (vernisseurs) hervor. Gérard war das 3. Kind von Jacques Dagly und Elisabeth Defa(a)z. Spa in Belgien war der bevorzugte Badeaufenthalt des Adels und der gehobenen Gesellschaft. Als Andenken an einen Badeaufenthalt wurden kleine Lackschatullen mit ostasiatischen Motiven hergestellt. Das Kurfürstenpaar Friedrich Wilhelm von Brandenburg („der große Kurfürst“) (1620 – 1688) und seine Gattin Luise Henriette (1637 – 1667) aus dem Haus Oranien besuchte Spa. Luise Henriette war genau wie ihre Mutter Amalie von Solms-Braunfels (1602 – 1675) eine Liebhaberin von Chinoiserien. Diese Mode war in Adelskreisen überaus beliebt. Es ist nicht auszuschließen, dass Gérard Dagly bereits in Spa Kontakt zum Kurfürstenpaar hatte. Von 1687 bis 1713 ist er am Hof in Berlin als gefeierter Lackkünstler tätig und erhält den Titel „Intendant der Ornamente“. Dagly ehelicht Dorothea Butte, mit der er 2 Töchter hat und kauft in Berlin ein Haus.

Werkstatt in Berlin

Die Lackmöbel von Gérard Dagly sind japanisch und chinesisch inspiriert. Erste Anregungen konnte Dagly sich von den bereits in Brandenburg vorhandenen Chinoiserien holen. Diese gelangten über Hamburg, dem Seehandelszentrum (Ostindische Seehandels Companie) und auch bereits bestehender Hamburger Lackwerkstätten in die Kunstkammer des Chinoiserie Liebhabers Kurfürst Friedrich Wilhelm. Dagly brachte es in seiner Kunst der Lackmöbel zu wahrer Meisterschaft. In den 25 Jahren des Bestehens der Werkstatt war Dagly mit seinen Mitarbeitern für die Ausstattung von bis zu 20 Schlössern und Lusthäusern verantwortlich. So stattete er das Chinesische Kabinett und die Kunstkammer des Berliner Schlosses mit seinen Kunstwerken aus. Lackmöbel aus der Werkstatt Dagly waren u.a. in den Schlössern Potsdam, Oranienburg, Caputh und Glienicke viel bestaunte, außergewöhnlich qualitätsvolle Stücke. Seine Lackmöbel wie Tische und Kabinette lieferte er auch an die Höfe in Brandenburg-Schwendt und Hessen-Kassel.

Als anerkannter und begehrter Meister der Lackkunst erwirbt Dagly, der als Hofkünstler direkt dem König unterstellt ist, weitreichende Privilegien am Berliner Hof. So gestattet man ihm, seine Kunst ohne Konkurrenten zu betreiben. Somit erlangt er eine Monopolstellung, gleichzeitig gewährt man ihm noch einen „Patentschutz“, indem verfügt wird, dass kein anderer Künstler Arbeiten von Dagly 1 Jahr lang nachmachen darf. Zusätzlich gewährt man ihm, dass er seine Mitarbeiter selbst aussuchen kann und dass er seine Arbeiten nummerieren und signieren darf, wovon Dagly aber keinen Gebrauch macht. Als Hofkünstler bezieht er ein festes, sehr hohes Jahresgehalt.

Mitarbeiter

Gérard holte seinen Bruder Jacques Dagly (1665 – 1728) als Unterstützung in seine Werkstatt nach Berlin. Jacques ging ca. 1713 nach Paris, wo ihm die Mitleitung der Ouvrages de la Chine an den Gobelins der Manufacture Royale des Meubles de la Couronne übertragen wurde. In der Werkstatt wurde getrennt nach Fachrichtungen gearbeitet. So gab es Vergolder, Maler und Tischler. Namentlich fassbar als Mitarbeiter sind Berend Lewen, kurfürstlicher Lacktischler, der zunftunabhängig war. Franciscus van Eycken war als Maler tätig und Johann Heinrich Steffens als Geselle.

Lackmöbel aus der Werkstatt Dagly

Es ergibt sich ein sehr umfassendes Spektrum der hergestellten Möbel. So fertigte die Werkstatt Dagly ostasiatische Lackmöbel wie Kabinette, Musikinstrumente, Uhrengehäuse, Etageren, Teetische, Konsoltische, Spiegelrahmen, Vasen, Schatullen und kleine lackierte Objekte wie Knöpfe und Schnallen. Auch ganze Raumausstattungen wurden hergestellt. Besonders herauszuheben ist ein 1690/95 entstandener Münz- und Medaillenschrank aus dem Antiken- und Medaillenkabinett der Kunstkammer des Berliner Schlosses, mit schwarzer Lackfassung und flachem, sowie erhabenen Streudekor. Polierte, punzierte und ziselierte feuervergoldete Messingbeschläge zieren dieses Prachtstück von Lackmöbel. Dieses Möbel hat sich bis heute erhalten und befindet sich aktuell im Kunstgewerbemuseum von Schloss Köpenick. Auch ein besonders schönes Lackmöbel ist ein Kabinettschränkchen, heute im Schloss Charlottenburg befindlich. Der Dekor geht außen auf japanische, innen auf chinesische Vorbilder zurück.

Verwendete Hölzer für die Lackmöbel

Als Furnierholz finden sich Erle, Birnbaum, Buchsbaum, Ebenholz und Olivenholz. Die Konstruktionshölzer waren meist Eiche, Buche und Ahorn. Dagly verwendete japanische und chinesische Motive für seine Lackkunst. Traditionell waren dies Landschafts,- und Architekturmotive. Aber auch Pflanzen wie Päonien (Pfingstrose) und Chrysanthemen zieren die Möbel. Gleichfalls kommen Darstellungen von Insekten und Vögeln (hier besonders der Pfau) vor. Besonders fein gearbeitete figürliche Darstellungen mit traditioneller Bekleidung kommen zur Verwendung. Auch Embleme und Rankenverzierungen sind an den Lackmöbeln zu finden.

Farbenvielfalt der Dagly Lackmöbel

Die Farben Rot und Schwarz dominieren traditionell als Farbklang in der ostasiatischen Lackkunst. Ein leuchtendes Zinnoberrot wurde in China bevorzugt, in Japan dagegen Schwarz als Lackfarbe. Dagly fertigt Möbel mit schwarzem Lack, aber auch rotgrundige Lackmöbel (wovon 2 Tische, 1 Spiegelrahmen und Schreibtische erhalten sind). Für ein Cembalo von Königin Sophie Charlotte verwendet Dagly „weißen Lack“, basierend auf Muschelweißgrund. In dieser Manier fertigt er auch Tische, Guéridons und Spiegelrahmen, die in ihrem Aussehen einen Porzellaneffekt besitzen. Diese Möbel sind mit monochromer, auch teils mit vielfarbiger Malerei von chinesischen oder japanischen Motiven verziert.

Techniken der Lackkunst

Es gibt verschiedenste Techniken um lackierte Flächen zu erzeugen. Eine genaue Beschreibung dieser Techniken würde den Rahmen dieses Textes sprengen. So sei beispielhaft 1 Technik beschrieben: Es wird eine Grundierung mehrschichtig auf Holz aufgebracht. Diese wird sorgfältig geglättet und mit schwarzem, oder naturfarben braunem Lack überzogen. Das Dekor wird nun durch die Lackbeschichtung in die Grundierung eingeschnitten und mit reichem Farbenspektrum, Bleiweiß und Pulvergold gefüllt. Zur Verwendung kommen Lackfarben und Ölfarben zusammen mit Metallen wie Silber und Gold. Eine seit dem 8 Jh. bekannte Technik aus Japan wird als Streutechnik/Streubild "maki-e" bezeichnet. Hierbei wird auf den noch feuchten Lackuntergrund Pulvergold eingebracht. Ostasiatischer Lack ist ein Naturlack aus dem Saft des Lackbaumes, eines Sumachgewächses, dessen lateinischer Name Rhus vernicifera lautet. Daher auch „Rhuslack“. Der Lackbaum ist in Teilen Chinas in Korea und Japan beheimatet. Als Synonym wird auch die Bezeichnung „urushi“(japanischer Lack) vom Rhus vernicifera „urushi no ki“ verwendet. Ein weiterer für Lackmöbel verwendeter Lack ist Aventurinlack. Dieser besteht aus Metallpartikeln, die zwischen farbig (meist gelbbraun, seltener rot oder grün) durchscheinenden Lackschichten eingebettet sind. Der Name Aventurinlack entstand durch die optische Ähnlichkeit mit dem Aventurinstein. Die chinesische Lackkunst kennt eine weitere Lackart, den Koromandellack, auch als "Bantam work" bekannt, nach der Stadt Java. Dieser Lack stammt von der südostindischen Koromandelküste bei Pondichéry und Madras. Aus diesem Lack waren die Vertäfelungen im Chinesischen Kabinett im Schloss Berlin gefertigt (durch Brand 1945 zerstört).

Kontakt zwischen Gottfried Wilhelm Leibniz (1646-1716) und Gérard Dagly

Der Universalgelehrte Leibniz interessierte sich auch für das Land China. Durch eine langjährige Korrespondenz mit Jesuiten, die in China lebten, versuchte er das Wesen des Landes zu verstehen. Leibniz Gedanke war, dass Europa von der hoch entwickelten Kultur Chinas lernen könnte und China wiederum von Europas technischem Fortschritt profitieren könnte. In Bezug auf das Können von Dagly ist es sehr interessant, dass dieser mit Leibniz persönlich bekannt war und zwischen 1707 und 1714 mit Leibniz in brieflichem Kontakt stand. Auch bestand ein enger Briefkontakt zwischen Leibniz und der Kurfürstin Sophie Charlotte, für die Dagly ja tätig war.

Dagly kehrt Berlin den Rücken

In Berlin findet ein Machtwechsel statt, Dagly verliert seinen Protegé, Kurfürst Friedrich Wilhelm, der verstirbt. Sein Sohn, der Kronprinz Friedrich Wilhelm tritt die Nachfolge an. Dieser ist allerdings nicht besonders an Kunst interessiert. Daher begibt sich Dagly zwei Jahre vor seinem Ableben 1713 noch in den Dienst von Kurfürst Wilhelm II. von der Pfalz (reg. 1690 – 1716).

Literaturempfehlung zu Gérard Dagly

  • Hsg.: Kopplin, Monika: „Gérard Dagly 1660-1715 und die Berliner Hofwerkstatt“, anlässlich der Ausstellung im Museum für Lackkunst in Münster 2015, Verlag Hirmer, ISBN 978-3-7774-2399-9.