Uhrmacherwerkstatt Kinzing
Uhrmacherfamilie Kin(t)zing in Neuwied
Die Uhrmacher Werkstatt Kin(t)zing war seit 1740 eine in Neuwied niedergelassene Uhrmacherfamilie, die durch die Zusammenarbeit mit der ebenfalls in Neuwied befindlichen Roentgen Möbelmanufaktur den europäischen Hochadel belieferte. Die Uhrmacher Kin(t)zing fertigten 10 Jahre, bevor Abraham Roentgen sich in Neuwied etablierte, für die Neuwieder Grafen. Spieluhren waren als Prestigeobjekte in Adelskreisen zur damaligen Zeit äußerst beliebt. Vor der Zusammenarbeit mit der Möbelmanufaktur Roentgen war ein Standbein der Uhrmacherwerkstatt die Fertigung einfacher Hausuhren. Diese waren Mitte des 18. Jh. im Bürgertum meist als Bodenstanduhren sehr beliebt. Bis 1795 konnte sich die Uhrmacher Werkstatt behaupten. Die Zusammenarbeit mit der Möbelmanufaktur Roentgen währte ca. 25 Jahre. Die Uhrmacher bauten in Standuhren der Roentgenmanufaktur Musikwerke ein. So z. B. eine Uhr mit Glockenspiel 1762 in einen Klappschreibtisch von Roentgen, die 8 Melodien spielen konnte. Diese ist in St. Petersburg bis heute erhalten geblieben.
Die Familie Kinzing
Peter Kinzing (1709 -1743) war gelernter Orgelbauer, sein Bruder Christian (1707-1804) war eigentlich Müller, nach dem frühen Tod seines Bruders eignete er sich dann Kenntnisse im Uhrmacherhandwerk an. Der Sohn von Christian, Peter (1745 in Neuwied -1816 in Mannheim) zeigte schon im jugendlichen Alter eine Begabung feinmechanischer Art und fertigte bald schon eigene Uhren an. Diese durfte er signieren und zwar anders als sein Vater, der mit Kintzing zeichnete, signierte Peter mit Kinzing. Peter Kinzing avancierte bald zum europaweit bekannten Uhrmachermeister, Mechaniker und Instrumentenbauer. Er führte den Titel: „herzoglich nassauischer und königlich französischer Hofuhrmacher und Mechanicus“. Viele Uhren aus der Werkstatt Kinzing/ Roentgen befinden sich heute in namhaften Sammlungen und in Museen. Peter Kinzing hatte zwei Söhne, Carl, der sich in Mainz niederließ und Christian, der in Neuwied verblieb. Diese beiden Söhne trieben dann nur mehr Handel und hatten keine eigene Produktion von Uhren mehr.
Werkstücke
Um 1770 entstanden dann Uhren mit komplizierter Mechanik für gehobene Ansprüche. Dafür wurde Stahl aus England importiert sowie bestes Messing für die Musikwalzen. Diese Uhren gingen bereits 8 Tage und zeigten außer den Stunden die Minuten, Sekunden sowie das Datum und den Mondlauf an. Die Musikwalzen spielten ein Andante, ein Menuett, eine Polonaise und ein Allegro. Sie waren z. T. mit Flötenwerk und Harfenklavier ausgestattet. Die Gehäuse für solche Standuhren mussten zwangsläufig sehr groß sein (über 3 Meter) um das komplizierte Windwerk und die Walzen aufnehmen zu können. Die Musik bestand u. a. aus Werken von Christoph Willibald Ritter von Gluck (z.B. aus „Reigen seliger Geister“ aus der Oper Orpheus und Eurydike.) 1778 fertigte die Roentgenmanufaktur eine große Standuhr für den österreichischen Botschafter in Paris, den Reichsgrafen Florimond Mercy Àrgenteau. Auf dessen Wunsch baute der Uhrmacher Kinzig 1778 das Uhrwerk um und konnte es mit 8 neuen von Gluck arrangierten Musikstücken ausstatten. Kinzing fertigte auch Präzisions Pendeluhren, aus der Neuwieder Uhrmacherwerkstatt gibt es nur sehr wenige erhaltene Pendulen (Tischuhren). Die Uhrmacherfamilie Kinzing bestand 60 Jahre über 2 Generationen und avancierte von selbst ernannten Autodikaten zum internationalen Hoflieferanten. Roentgen/ Kinzing Uhren wurden an viele Königshäuser und Fürstenhöfe geliefert.
Ein ganz besonderer Spielautomat wurde von Roentgen/Kinzing geschaffen: die Zimbalspielerin auch „Joueuse de typanum“ für Marie Antoinette. Anlässlich der Überbringung dieses Spielautomaten verehrt sie Peter Kinzing den Titel „Horlonger de la Reine“. Bei der Fertigung der Zimbalspielerin war Johann Christian Krause, ein Mitarbeiter der Roentgenmanufaktur maßgeblich beteiligt. Den Kontakt zum französischen Hof zu Marie Antoinette und Louis XVI. konnte David Roentgen durch Vermittlung des österreichischen Diplomaten Florimond Claude Graf von Mercy-Argenteau (1727-1794) herstellen. Dieser war wie oben erwähnt, bereits Kunde von Roentgen und intimer Berater von Marie Antoinette. Die Zimbalspielerin ist eine spektakuläre Automatenfigur, die vom Königshaus und dem Adel auf das Wunderlichste bestaunt wurde. Marie Antoinette macht sie der Académie Francaise zum Geschenk. Heute ist die Zimbalspielerin im Musée et Métiers in Paris untergebracht.
Mitbewerber und Konkurrenten
Die Uhrmacher Werkstatt Kinzing übte auch Einfluss auf Arbeiten von anderen Uhrmachern aus. So z. B. auf Arbeiten von Langerhans/Krefeld, Spies/Siegen, Bofenschen/Hannover, Klein/Cremgen u.v.a. In Konkurrenz zur Neuwieder Uhrenherstellung von Kinzing traten die Gebrüder Christian und Johann Wilhelm Weil, ebenfalls in Neuwied ansässig. Beide Brüder Weil waren langjährige Mitarbeiter der Möbelmanufaktur von David Roentgen, der mit Peter Kinzing als Uhrmacher und Mechanikspezialist zusammenarbeite. So fertigten die Brüder Weil ein Flötenwerk für eine Bodenstanduhr aus der Manufaktur Roentgen/Kinzing. 1807/08 gründeten die Gebrüder Weil in Neuwied die Orgelfabrik „Gebrüder Weil“, die bis 1888 von der Familie geführt wurde.
Anmerkungen zum Fürstenhaus Neuwied:
Ein bis heute sehr bekannter Name: „Carmen Sylva“ (1843 in Schloss Monrepos Neuwied – 1916 in Bukarest Rumänien) Carmen Sylva ist das Pseudonym von Elisabeth zu Wied, geb. Prinzessin aus dem Fürstenhaus Wied. Elisabeth zu Wied heiratete 1869 Karl Eitelfriedrich von Hohenzollern-Sigmaringen, der zum König von Rumänien gekrönt wurde. Sie wurde somit Königin von Rumänien. Unter dem Pseudonym Carmen Sylva beginnt sie bald mit einer umfangreichen schriftstellerischen Tätigkeit, komponiert Musikstücke, schreibt Gedichte, Romane und Kinderbücher. Mit der österreichischen Kaiserin Elisabeth (Sisi) verbindet sie ab 1884 eine innige Freundschaft.